Mittwoch, 18. Dezember 2019

Alle behindert

Rezension auf Kinderbuchblog Familienbücherei: "Alle behindert!" von Horst Klein und Monika Osberghaus,  erschienen im Klett Kinderbuch Verlag


Klett Kinderbuch ist ein Verlag, dessen Bücher aus der Masse herausstechen. Die Bücher provozieren, regen zum Nachdenken und Diskutieren an und oft spalten sie ihre Leser in zwei Lager. Während die einen "Toll" jubeln, stöhnen die anderen "Schrecklich!" So passiert es auch gerade wieder mit dem neuen Kindersachbuch "Alle behindert!" 


Ich weiß nicht, wie es euch geht, wenn ihr Menschen mit Beeinträchtigungen trefft. Ich möchte offen und freundlich mit ihnen umgehen, aber gleichzeitig bin ich befangen und habe Angst, etwas falsch zu machen. Ich möchte weder, dass sie sich angestarrt noch dass sie sich ignoriert fühlen. Kinder gehen oft unbefangener ran, aber haben gleichzeitig jede Menge Fragen. Fragen, die ich nicht immer beantworten kann. 

Rezension auf Kinderbuchblog Familienbücherei: "Alle behindert!" von Horst Klein und Monika Osberghaus,  erschienen im Klett Kinderbuch Verlag


Nun kommt also Klett Kinderbuch mit seinem neusten Werk "Alle behindert!" um die Ecke. Bereits das Cover ist provozierend. "Glotz nicht so!" steht da und "...Du kommst auch darin vor". Wie jetzt? Wieso bin ich da drin? Neugierig wie ich bin, folge ich der Aufforderung des Covers, denn auch "Schau rein!" steht da drauf. 

Im Buch finde ich eine Sammlung von Kindersteckbriefen. Jedes der Kinder hat eine Behinderung/Beeinträchtigung. Dabei steht das Kind selbst im Mittelpunkt. Ich erfahre, was es gerne mag und was nicht so. Ich lerne mehr über die Merkmale und Auswirkung der jeweiligen Behinderung und finde Tipps, wie ich auf das jeweilige Kind am besten zugehe, was ich besser bleiben lasse und wie ich mit ihm spielen kann. Die Steckbriefe sind offen und ehrlich und geben kurz und knapp Aufschluss über die jeweiligen Kinder mit ihren Beeinträchtigungen. 

Um diese Steckbriefe zusammenzustellen, wurden in einem großen Aufruf über Social Media Betroffene gebeten, über ihre besonderen Kinder zu berichten. Aus diesem Input wurden frei erfundene Kinder erstellt und beschrieben. Da die Auswirkung einer Behinderung sehr vielfältig sein kann, war es sicher nicht einfach, hier einen allgemeinen Steckbrief zu erstellen und ich denke mir, dass es sehr ergreifend war, von den vielen persönlichen Geschichten zu hören. Hut ab vor den Autoren, die den Mut hatten, diese Schicksale auf ein Kind zu komprimieren. So wird natürlich nicht jede Mutter oder jeder Vater eines besonderen Kindes dem jeweiligen Steckbrief uneingeschränkt zustimmen können. Auch musste eine Auswahl an Beeinträchtigungen betroffen werden. 

Rezension auf Kinderbuchblog Familienbücherei: "Alle behindert!" von Horst Klein und Monika Osberghaus,  erschienen im Klett Kinderbuch Verlag


Was für viel mehr Aufregung und Diskussionen sorgt, sind die Kinder, die mit unerwarteten Beeinträchtigungen in Erscheinung treten. So haben sich ein Angeber, eine Tussi, ein Mitläufer, ein Rüpel, eine Schüchterne, ein Essensnörgler, eine Hochbegabte, ein Bildschirmsüchtiger und ein Dicker zwischen die Kinder mit den Behinderungen "gemogelt", die ich wohl in diesem Buch erwartet habe. Ob ich das nun gut finde? Ehrlich gesagt, denke ich darüber jetzt schon länger nach. Die Botschaft, dass jeder irgendwie anders ist und das Inklusion auch Kinder betrifft, die zwar augenscheinlich erstmal keine Behinderung haben, aber in unserer Gesellschaft anecken und dann doch einsam am Rande ihrer Klasse stehen, öffnet Augen. Ich finde es gut, auch über diese Kinder bewusst nachzudenken und ich finde es auch gut, dass es Tipps für den Umgang mit diesen unterschiedlichen Typen von Kindern gibt. Aber ich kann auch verstehen, dass Kritiker hier schimpfen, dass Kinder mit "echten" Beeinträchtigungen sich nicht ernstgenommen fühlen. 

Ganz am Ende gibt es dann noch einen offenen Steckbrief, in dem der Besitzer des Buchs, sich selbst festhalten kann, sei es nun mit einer Behinderung oder einer besonderen Eigenheit. Jeder ist eben irgendwie anders. 

Hier kann ich nur sagen, dass Klett Kinderbuch seinen Ruf wieder voll gerecht wird. Ein authentisches Buch aus dem Alltag von Menschen mit Beeinträchtigungen, das zum Nachdenken und Diskutieren anregt. Die Gestaltung kommt frech, provokativ, lustig und mit vielen Comicelementen und Details daher. Genau das macht jede Menge Spaß und lädt zum Verweilen und Entdecken ein. Ein Buch, dass in jeder Grundschule und jedem Klassenzimmer ein Zuhause finden sollte.

"Alle behindert!" von Horst Klein und Monika Osberghaus,  erschienen im Klett Kinderbuch Verlag, ist ein 40-seitiges Sachbuch für Kinder ab 5 Jahren, das für 14 EUR unter der ISBN 978-3-95470-217-6 im Buchhandel erhältlich. 

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