In der Schule haben beide Kinder das Buch "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl" als Schullektüre gelesen und danach auch den Film gesehen. Da sie das Thema Nationalsozialismus, Zweiter Weltkrieg und Holocaust noch nicht in der Schule hatten, aber nun dazu vermehrt Fragen auftraten, habe ich mich nach Kinderbüchern und Jugendbüchern zu diesen Themen umgesehen und möchte euch einige hier vorstellen. Dabei habe ich versucht, Sachbücher und erzählende Geschichten zu finden, auch eine Graphic Novel und ein Hörbuch sind dabei. Du kennst weitere gute Bücher zu dem Thema Nationalsozialismus, Judenverfolgung, Antisemitismus und Zweiten Weltkrieg, dann hinterlasse gern einen Kommentar mit deinem Buchtipp.
Zeit der Finsternis - Der zweite Weltkrieg
Adolf Hitler wollte eigentlich Künstler werden, musste aber als erfolgloser Maler von Postkarten entdecken, dass dies nicht seine Berufung ist. Er entdeckt, dass er mit seinen Worten Menschen beeinflussen und mitreißen kann und steigt nach und nach zum Herrscher des Dritten Reiches auf. Das Buch beschreibt sein Leben und vor allem die Zeit des Zweiten Weltkrieges, wobei auch die Zeit vor und nach dem Weltkrieg beschrieben wird. Aber nicht nur, was in Deutschland geschah, wird hier betrachtet, sondern auch in Italien und ganz besonders in Japan.
Dominic Sandbrook springt immer wieder zu verschiedenen Personen der Zeitgeschichte. Als Historiker hat er viele Zeitzeugen- und Tagebuchberichte studiert und daraus ein spannendes Buch geschrieben, wobei er immer wieder die Perspektive wechseln. Und so lernen wir die Sichtweisen von Churchill, Stalin, Roosevelt, verschiedenen Widerstandskämpfern, Soldaten und Kriegsgefangenen kennen.
Insgesamt bietet das Sachbuch dadurch ein sehr umfangreiches Gesamtbild über die Zeit des zweiten Weltkrieges. Das Sachbuch ist mitreißend geschrieben, man muss sich aber bewusst sein, dass es alles Fließtext ist, ohne zusätzliche Grafiken. Hier hätte ich mir tatsächlich gewünscht, dass es hier noch ein paar Zeitleisten mit den chronologischen Ereignissen des Zweiten Weltkrieges und auch ein Personenverzeichnis gegeben hätte.
"Zeit der Finsternis" von Dominic Sandbrook * Übersetzung von Knut Krüger * cbj Verlag * 368 Seiten * ISBN 978-3-570-17908-6 * ab 10 Jahren
memo Wissen - Zweiter Weltkrieg
"memo Wissen - Zweiter Weltkrieg" von Simon Adams * übersetzt von Walter Ludwig * DK Verlag * 72 Seiten * ISBN 978-3-8310-5026-0 * Altersempfehlung: ab 8 Jahren
Nicht sehr lang her, nicht sehr weit weg
Dieses Sachbuch ist ein beeindruckendes Werk über den Holocaust, dass die Illustrationskunst bewusst zur Verstärkung seiner Botschaft einsetzt, denn dieses furchtbare Verbrechen des Mordes an so vielen Millionen Menschen darf sich nicht wiederholen. Wie konnte es überhaupt dazu kommen? Und was genau passierte in den Konzentrationslagern?
Die Texte sind konzentriert und genau auf den Punkt. Die Kinder erhalten hier Aufklärung über die Shoah und die entscheidenden Punkte, wie es dazu kommen kann. Es hält das Andenken an die Toten und die Helden, die Juden und andere gefährdete Personen gerettet haben, hoch.
Das Buch ist sehr ehrlich und beschönigt nicht. Daher ist das Alter ab 10 Jahren gut gewählt. Dennoch ist es sehr empfehlenswert, dass Buch zusammen mit den Kindern zu lesen oder zumindest Gespräche anzubieten.
Fazit: Ein beeindruckendes Zusammenspiel aus Sachwissen und Illustrationskunst.
"Nicht sehr lang her, nicht sehr weit weg" von Carla Infanta Gabor * illustriert von Carla Infanta Gabor * Übersetzung von Ilse Layer * Fischer Sauerländer Verlag * 112 Seiten * ISBN 978-3-7373-7367-8 * ab 10 Seiten
Wie ein Foto unser Leben rettete - Die wahre Geschichte der Familie Mandil
Gavra Mandil lebt mit seinen Eltern und seiner jüngeren Schwester im ehemaligen Jugoslawien. Bei einem Besuch seiner Oma in Belgrad erleben sie einen Bombenangriff und die Deutschen besetzen die Stadt. Gavras kleine Familie kann nicht mehr zurück in ihre Heimatstadt und muss Arbeitsdienst verrichten. Die Eltern von Gavra beschließen zu flüchten. Sie organisieren falsche Pässe und steigen in einen Zug. Bei einer Kontrolle werden sie aus dem Zug gerufen. Im Pass des Vaters steht zwar kein jüdischer Name, aber der Name des Vaters ist jüdisch.
Schließlich rettet ein Foto der Familie das Leben. Gavras Vater ist Fotograf und für das Schaufenster seines Fotostudios hat er oft seine eigenen Kinder zu Werbezwecken fotografiert. So waren die Geschwister auf diesem Foto mit andächtigen Blick vor einem Weihnachtsbaum zu sehen. Sie können also offensichtlich keine Juden sein. Nicht nur dieses eine Mal rettet ein Foto oder der Beruf des Vaters der kleinen Familie das Leben.
Maya C. Klinger lässt den jungen Gavra seine Geschichte selbst erzählen. Es ist viel zu wenig bekannt, dass albanische Muslime Juden während des Zweiten Weltkriegs versteckt und damit das eigene Leben riskiert haben. Noch heute sind die Nachfahren von Gavra mit der Familie ihrer albanischen Retter in Kontakt.
Dass die Geschichte von Kind zu Kind erzählt wird, macht sie für die jungen Leser zugänglicher. Neben den schönen Illustrationen machen vor allen die Originalfotos der Familie das Buch so besonders. Eine wahre Geschichte, spannend und ergreifend erzählt und mit vielen Bildern und Fotos ausgestattet. Sehr zu empfehlen für Jung und Alt.
"Wie ein Foto unser Leben rettete - Die wahre Geschichte der Familie Mandil" von Maya C. Klinger * übersetzt von Gundula Schiffer * mit Illustrationen von Isabel Kreitz * Insel Verlag * 120 Seiten * ISBN 978-3-458-64493-4 * Altersempfehlung: ab 7 Jahren
Goldene Steine
Als Yara noch klein war und nicht lesen konnte, hielt sie die goldenen Steine vor ihrem Mietshaus für einen besonderen Goldschatz. Später erkennt sie den wahren Zweck der Stolpersteine und dass sie eine Erinnerung an die Ermordung des Mädchens Ella und deren Eltern sind. Die alte Frau Winter, die auch im Haus wohnt, kannte Ella und hat gern mit ihr gespielt. So erfährt Yara viel über das jüdische Mädchen und die Veränderungen in deren Leben als die Nazis die Macht in Deutschland ergriffen.
Leon hat einem Juden seine Kippa vom Kopf geklaut und trägt sie nun selbst, ohne zu wissen, dass es eine Kippa ist. Als er auf dem Heimweg von zwei Unbekannten brutal zusammengeschlagen und beschimpft wird, kann er auch dass nicht einordnen. Beobachtet wird das von Nikolai, einem jungen Juden, der weiß, das dieser Überfall ihm gegolten hat. Yara, Leon und Nikolai lernen sich kennen und beschließen die Täter ausfindig zu machen.
Das Buch beschreibt die zunehmenden Antisemitismus-Vorfälle der Gegenwart, lässt uns in das Leben eine jüdischen Familie von heute schauen, erzählt über Stolpersteine und das Leben der Juden in der Zeit des Nationalsozialismus. Es ist auch eine Freundschaftsgeschichte zwischen drei sehr unterschiedlichen Jugendlichen und auch Yaras Verhältnis zu der alten Frau Winter fand ich sehr berührend. Was mich beim Lesen immer wieder gestört hat, war der Alkoholkonsum der Kinder (Yara ist 13, Nikolai als ältester 15). Ich weiß nicht, wie dies der Handlung beitragen sollte und war etwas genervt davon. Ansonsten ist es eine schöne Jugendgeschichte, die die Aufmerksamkeit auf die Stolpersteine und deren Hintergrund lenkt.
"Goldene Steine" von Cornelia Franz * Carlsen Verlag * 224 Seiten * ISBN 978-3-551-58517-2 * ab 12 Jahren
Fenster in der Nacht - Geschichten der Hoffnung
In schlimmen Zeiten ist es oft die Hoffnung, die am Leben hält. Im Comic "Fenster in der Nacht" erzählt Neal Shusterman fünf Geschichten, die an verschiedenen Orten des Holocaust spielen und verknüpft diese mit unterschiedlichen Fantasieelementen, die den Verfolgten Hoffnung geben. Gleichzeitig ehrt er die mutigen Widerständler und Helfer der Juden. Nach jeder Geschichte gibt es eine Doppelseite mit historischen Hintergrundinformationen.
Die erste Geschichte erzählt von drei jüdischen Mädchen in Deutschland, die von einer älteren Frau in ihrer Mietswohnung versteckt werden. Das Fenster des Verstecks verwandelt sich öfter auf wundersame Weise. In der zweiten Geschichte hat ein jüdische Häftling im KZ einen Golem erschaffen, mit dem Ziel möglichst vielen Juden zur Flucht zu verhelfen. Die dritte Geschichte führt uns nach Osteuropa, wo ein Geschwisterpaar auf der Flucht vor den Nazis auf eine Widerstandsgruppe trifft. Sie erhalten Unterstützung von der Hexe Baba Jaga und ihren Verbündeten. Die vierte Geschichte führt uns nach Dänemark, wo ein biblischer Stab eine rettende Rolle spielt. Die fünfte Geschichte ist anders gelagert. Sie spielt in der Gegenwart und in einer Parallelwelt lernt ein junges Mädchen die Verwandten kennen, die im Holocaust gestorben sind bzw. die Nachkommen, die es hätte geben können.
Auch wenn hier fantastische Elemente eingeflochten wurden, erfährt man viel über die Gefahren für die Juden und die Personen, die ihnen geholfen haben. Die Geschichten regen zum Nachdenken an und die Bilder passen perfekt in diese düstere Zeit. Auch ich als Erwachsene habe noch einiges Neue erfahren, z.B. über das Dänemark im Zweiten Weltkrieg. Die Altersempfehlung ab 12 Jahren tritt gut zu.
"Fenster in der Nacht" von Neal Shusterman * illustriert von Andrés Vera Martinez * übersetzt von Alexandra Ernst * Verlag: Loewe Graphix * 256 Seiten * ISBN 978-3-7432-1687-7 * ab 12 Jahren
Geheimname Eisvogel
In Amsterdam im Jahr 1942 werden die Schwestern Mila und Hannie von ihren Eltern zu einer anderen Familie geschickt, die sich bereit erklärt hat, die jüdischen Kinder bei sich zu verstecken. Sie bekommen falsche Identitäten und Ausweise, leben nun bei "Onkelchen" und "Tantchen" und dürfen natürlich niemanden verraten, dass sie Juden sind.
Hannie möchte aber selbst etwas tun und bekommt die Gelegenheit als jugendliche Undercover-Agentin mit dem Geheimnamen Eisvogel jüdische Kinder zu retten. Vor ihrer jüngeren Schwester Mila hält sie ihre Agententätigkeit für den Widerstand geheim. Nur ihrem Tagebuch vertraut sich Hannie an. Eines Tages entdeckt Mila das Tagebuch und es gibt ein tragisches Missverständnis und es wird klar, dass es einen Verräter unter den Freunden gibt.
Liz Kessler beginnt ihre Geschichte allerdings in der Gegenwart mit Milas Enkelin Liv. Sie soll für den Geschichtsunterricht einen Familienstammbaum erstellen und mehr über ihre Wurzeln herausfinden, was sich als sehr schwierig herausstellt, denn ihre Oma möchte nichts über die Vergangenheit preisgeben und verschließt sich. Schließlich verrät sie Liv, dass sie eine Schwester hatte, von der nicht mal Livs Vater etwas weiß. Da ihre Oma nicht sehr gesprächig ist, versucht Liv selbst zu recherchieren.
Die Geschichte hat mich von Beginn an gefesselt. Auch wenn sie fiktiv ist, vertritt sie wohl das Schicksal vieler Kinder in der Zeit der besetzten Niederlande. Hannie ist mit ihren jungen Jahren so ein mutiges Mädchen und man hofft, dass sie noch viele jüdische Kinder retten kann und natürlich nicht entdeckt wird. Die wechselnden Perspektiven von Liv, Mila, Hanni und Will werden durch unterschiedliche Sprecher klar abgegrenzt und die vier Sprecher machen einen ausgezeichneten Job. Ein sehr berührendes Jugendhörbuch über Mut, Hoffnung in dunklen Zeiten und wahre Freundschaft!
"Geheimname Eisvogel" von Liz Kessler * übersetzt von Eva Riekert * gelesen von Inka Löwendorf, Natalia Belitski, Simona Pahl und Benito Bause * Argon Sauerländer Audio * 1 MP3-CD (oder Download) mit einer Laufzeit von ca. 7 Stunden 58 Minuten * ISBN 978-3-8398-4435-9 * ab 11 Jahren
Das Tagebuch der Anne Frank
Einige von euch meinen jetzt vielleicht, dass "Das Tagebuch der Anne Frank" in dieser Runde fehlt. Zu diesem Klassiker zum Themen Nationalsozialismus und Holocaust gibt es mittlerweile viele Ausgaben und Biografien. Meine Kollegin Anna vom Blog Kinderbuch-Detektive.de hat sich die Mühe gemacht und in einem Artikel die unterschiedlichen Kinderbücher zu Anne Frank zusammengestellt.
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